Während die Bewegung Aufwachen! sich noch sortiert, soll hier schon einmal das Aufwachen geprobt werden, das dem Aufstehen! vorausgeht.
Weiter unten geht es dann um zwei konkrete Vorschläge, die ohne ideologische Grabenkämpfe realisiert werden sollen: Mindesttransportgebühr und Umsatz-Quellensteuer. Wer sich für die Bewegung jetzt nicht interessiert, hlickt hier zur Mindestgebühr.


Die schlafende Linke

Nach den Erfolgen der Rechten sind die Linken aufgescheucht und selbstkritisch geworden. Der deutsche Autor mit dem schönen italienischen Namen Roberto De Lapuente hat es mit einem Buchtitel auf den Punkt gebracht:
Rechts gewinnt, weil Links versagt.
Interview mit ihm auf KenFM.
 
Die Rechten sind auf die Straße gegangen, die Linken schwenken das Rotweinglas und erheben den Zeigefinger. Die Rechten sind aggressiv. Sie haben Hooligans und stiernackige Nazis in ihren Reihen und nehmen den Linken die Themen weg, wie der Autor De Lapuente am Beispiel der Systempresse erklärt.
 
Weil die Systempresse ihre journalistische Distanz zur Regierung, zur NATO und zur Finanzwelt verloren hat, ist sie in den alternativen Medien zu Recht oft angegriffen worden. Die Rechten aber schreien: Lügenpresse! Damit haben sie dieses fundamentale Thema den Linken weggeschnappt.

Gebildete Linke und grüne Gutmenschen diskutieren gerne über soziale Aufgaben und vornehmlich um Ausgaben von Geld an bedürftige und berechtigte Personengruppen, ohne sich viel Gedanken über die Einnahmen zu machen und geraten so in den Ruf, wenig oder nichts von Ökonomie zu verstehen. Sie scheuen sich, von Steuern zu reden.
 
Der linke Weltökonom Thomas Piketty aber schreibt dazu:
 
Die Frage nach der Steuer ist nicht bloß eine technische, sondern eine eminent philosophische und politische Frage, vielleicht die wichtigste politische Frage überhaupt. Ohne Steuern kann es keine gemeinsame Zukunft und keine Möglichkeit kollektiven Handelns geben.
Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, Kap. 14, deutsche Ausgabe, S 662

Wenn eine Linke, namentlich Sahra Wagenknecht, sich ein paar Jahre mit Ökonomie befasst hat und schließlich die Mechanismen der Wirtschaft durchschaut, dann ist sie für viele Partei-Linke der Realität schon zu nahe gekommen und wird der Querfront verdächtigt.
 
In dieser Situation ist wohl die Idee einer parteiübergreifenden Bewegung entstanden, mit dem kuscheligen Namen Aufstehen! Diese Bewegung ist, wie könnte es im obrigkeitsgläubigen Deutschland anders sein, eine Bewegung von oben. Kennzeichnend ist, dass Aufstehen! mit Hilfe einer Werbeagentur gestartet wurde, welche die Webseite aufstehen.de nach modernen Kriterien des Internet-Marketings gestaltet hat. Die Webseite erinnert stark an Bento, die Teenager-Rubrik von Spiegel Online.

Wagenknecht am Zuckerberg

Eine Aktion von oben ist auch der zweite Schritt, mit dem eine breite Diskussion gestartet werden soll. Man hat Geld in die Hand genommen und die Software Pol.is in einer deutschen Version für politische Campagnen gekauft.

Der Software-Anbieter https://polisinc.com bietet Pol.is sowohl für Verkaufsaktionen als auch für politische Organisation an. Werbespruch: We collect information through face-to-face interactions, which makes our National Data File stronger and more reliable when connecting with your customers.
Zu deutsch: Wir sammeln Information durch face-to-face-Interaktionen, die unseren nationalen Datensatz stärker und zuverlässiger machen, wenn wir ihn mit Ihren Kunden verbinden.
 
Der Ausdruck face-to-face kann hier nicht von Angesicht zu Angesicht bedeuten, das macht keinen Sinn, sondern er spielt wohl darauf an, dass man Daten verwendet, die Facebook face to face gesammelt und an polisinc.com verkauft hat. Schon eine kurze Recherche zeigt, Pol.is ist keineswegs transparenter als Facebook, nicht für die Käufer der Software, in diesem Fall die Bewegung Aufstehen! und schon gar nicht für die endgültigen Teilnehmer.
 
Aus dem Angebot von polisinc.com geht ebenfalls hervor, dass die Software für kommerzielles Marketing entwickelt wurde. Sie wurde dann umgemodelt für politische Campagnen und kam bereits in Brasilien und Kanada zum Einsatz.
 
Pol.is soll Regierungen und Verwaltung bei ihren Entscheidungen durch Online-Kontakte unterstützen, indem die Bürger nach Meinungen und Präferenzen abgefragt und statistisch ausgewertet werden. Es soll künstliche Intelligenz im Spiel sein, ein unschlagbares Argument beim Anbieten moderner Algorithmen.

Die Software Pol.is schafft vielleicht mehr Kontakt, aber es ist keine Demokratie von unten. Derjenige, der die Software bezahlt hat, ist in der Schlüsselposition. Pol.is ist raffinierter als eine Meinungsumfrage, aber das Problem, wie man ein Diskussionsforum für Millionen von Menschen schafft, wird dadurch nicht gelöst.
 
Die Teilnehmer werden nicht miteinander vernetzt. Sie kriegen vom Besitzer der Software, also von der Plattform Aufstehen! vielleicht das ehrliche Ergebnis der Auswertung mitgeteilt, aber niemand kann das nachprüfen. Auch die Auftraggeber die unter Aufstehen! firmieren, werden, wie das bei amerikanischen Software-Herstellern üblich ist, keinen Einblick in die Algorithmen bekommen.

Wer nicht eine vorgefertigte Software in USA kaufen will, muss sich über sein Forum selber Gedanken machen. Das ist hier unter dem Namen Demokrit auf bescheidener Ebene (ohne Geld und Programmierer-Team) schon geschehen und wurde sogar auf KenFM veröffentlicht. Ein Vorschlag für die Spielregeln findet sich im 2. Teil auf KenFM.
                 Es geht weiter mit Aufwachen!!


Amazonas schluckt Nil


Die Linken Intellektuellen müssen aufwachen und erkennen, dass man aggressiver gegen Feinde und Zerstörer dessen vorgehen muss, was sozial, gerecht und friedlich ist. Die maßgebenden Kräfte sind nicht Hooligans, Krawallmacher und die unverbesserlichen Nazis, sondern an erster Stelle Milliardäre der neoliberalen Ära, die ganz offen ihre Egoismen ausleben und durchsetzen. Bei denen ist auch das Geld zu holen, das für Sozialmaßnahmen fehlt.
 
Ein einziger raffgieriger Milliardär nimmt 100.000 Familien das Geld für die Miete weg.
 
Ehe das parlamentarische Gerangel los geht, brauchen wir Ideen, wie den Milliardären beizukommen ist, die den Sozialstaat aushebeln. Steuern und finanzielle Tricks sind den meisten Politikern, Journalisten und Meinungsführern zwar nicht sympathisch, aber sie haben den Vorteil, durchführbar zu sein und Geld in die gewünschte Richtung zu bewegen.

Man muss die asoziale Taktik der Steuervermeidung und die Gigantomanie von Internet-Riesen durchschauen und gezielt bekämpfen. Ein Paradebeispiel ist Amazon-Chef Jeff Bezos, dessen Entscheidungen schon von Anfang an psychotischen Charakter haben. Ihm ging es nicht in erster Linie um Firmengewinne, sondern um eine marktbeherrschende Position und er hat dann erst später an der Börse seinen Schnitt gemacht. Das lässt sich anhand der Praktiken von Amazon leicht belegen.
 
Jahrelang arbeitete Amazon völlig ohne Gewinn, weil man Bücher kostenlos versandt hat. Es ging erst einmal darum, der größte Buchhändler der Welt zu werden, so wie der Amazonas der größte Fluss der Welt ist. Aber der Amazonas nimmt dem Nil kein Wasser weg!
 
Doch Amazon will den über Jahrhunderte gewachsenen Buchhandel ausschalten. Man verschickte zu diesem Zweck Millionen von Sendungen, ohne daran Geld zu verdienen; das Porto schluckt nämlich den Gewinn. Anschließend wird mit der monopolistischen Marktposition Druck auf die Verlage ausgeübt, was hierzulande zum Glück durch die Buchpreisbindung erschwert wird.

Das Perverse an dem kostenlosen Versand von Kleinigkeiten ist generell, dass der lokale Handel an dem Umsatz, den man ihm durch portofreien Versand wegnimmt, eine normale Verdienstspanne hätte. Es wird also nicht Gewinn von den kleinen Händlern auf den Online-Riesen verlagert, sondern Gewinn wird vernichtet.
 
Man mag einwenden, dass dieses Geld, das den Buchhändlern entging, bei den Paketdiensten gelandet ist, die der Versender ja bezahlen muss. Das ist aber falsch gerechnet. Für die Paketdienste ist es nicht Gewinn, sondern eine Gebühr für die gesamte Dienstleistung: Abholen, Verteilen, Zustellen. Der Gewinn, den die Paketdienste machen, ist davon nur ein kleiner Teil.

Der nächste Schritt des Versenders Amazon war dann, die Tarife für Paketdienste in den Keller zu drücken. Jetzt ist diese Branche ein Paradebeispiel für prekäre Jobs, obwohl die Arbeit in dieser Branche äußerst sinnvoll und absolut notwendig ist. Doch auch das ist für Bezos noch nicht genug. Amazon nimmt die Sache jetzt selbst in die Hand. Es werden Privatpersonen für die Zustellung eingesetzt, die weder eine Einkommensgarantie noch eine soziale Absicherung haben.
 
Das Prinzip heißt: Rücksichtslosigkeit gegenüber allen, außer der gedankenlosen Kundschaft. Es sieht so aus, als würde Herr Bezos keinem anderen Menschen einen Verdienst gönnen, auch denen nicht, die sein Geschäft erst ermöglichen: Lagerarbeiter, Transportfirmen, Paketzusteller.
 
Dieses Verhalten ist für die Gesamtwirtschaft ein Verlust und der Staat, der die Wirtschaft lenken soll, kann solchem Irrsinn nicht tatenlos zusehen. Man muss gegen die zerstörerischen Praktiken eines durchgeknallten Egomanen mit speziell auf die Situation zugeschnittenen Maßnahmen vorgehen. Ein gezielter Schuss vor den Bug, völlig legal, und der Spuk ist vorbei.


Mindestlohn und Mindestgebühr


Der Mindestlohn, der in vielen Staaten mit Erfolg eingeführt wurde, kann ein Modell für andere Mindesterlöse sein, damit das Erpressen von schwächeren Positionen in der Wirtschaft aufhört. Jeff Bezos hat mit Amazon einen Verdrängungswettbewerb angezettelt mit destruktiven Lockangeboten bei kostenlosem Versand.
 
Diese Angebote sind destruktiv, weil sie lokalen Bewerbern ein Umsatzgeschäft wegnehmen, ohne eigenen Verdienst; denn durch den kostenlosen Versand wird der eigene Verdienst durch die Zustellgebühr geschluckt. Die lokale Buchhandlung würde etwas verdienen, der Versender aber nicht, er zerstört nur den Gewinn eines anderen Anbieters.
 
Gegen diese destruktive Praxis, welche den lokalen Handel zerstört, hilft ganz einfach eine Mindestgebühr für Pakete in Höhe von beispielsweise 5 Euro. Damit hat man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

1. Das unsinnige Versenden von Kleinigkeiten ohne Verdienst, um anderen Mitbewerbern die Kunden wegzufischen, wird beendet.
 
2. Die Preise im Online-Handel werden transparenter. Man muss zum Preisvergleich nicht andauernd herum klicken, einmal mit, einmal ohne Porto, und man weiß von vorne herein, dass es sich für ein Taschenbuch, eine CD, zwei Paar Socken oder ein Knäuel Wolle nicht lohnt, im Internet zu bestellen.
 
3. Der Lokale Handel wird stabilisiert. Für Kleinigkeiten gehen wir wieder auf die Straße zum Einkaufen und stöbern durch Kaufhof oder Karstadt, die dann ein wenig mehr frequentiert und wieder rentabler werden.
 
4. Belebung des lokalen Handels und der großen Kaufhäuser bedeutet für unsere europäischen Städte einen Gewinn an Urbanität.

Eine soziale Tat

5. Die Mindestgebühr für Pakete ermöglicht eine sehr wirkungsvolle Sozialmaßnahme, um prekäre Arbeitsverhältnisse zu beseitigen:
 
Ein bis zwei Euro der Mindestgebühr sollen direkt und unumgänglich an die Personen gehen, welche die Pakete an unsere Haustür bringen, dann spürt auch jeder, der die Gebühr bezahlt hat, wofür sie gut ist.

Gezieltes Abzocken der Abzocker

Das größte Problem, das der Staat mit Amazon und anderen globalen Riesen hat, ist, dass sie keine Steuern zahlen. Das betrifft nicht nur Internet-Riesen, sondern auch viele andere Konzerne (Global Players). Auch hier helfen gezielte und bewusst aggressive Maßnahmen ohne parteipolitische Skrupel und ohne Rücksicht auf das Heer der Lobbyisten.
 
Das ruppige Klima der Auseinandersetzung wird durch die Steuervermeidung geschaffen, nicht durch den Staat, der seine gesamte Infrastruktur zur Verfügung stellt und eine minimale Konsumfähigkeit auch der ärmsten Mitbürger garantiert.

Da helfen Quellensteuern. Sie könnten von den Finanzbehörden spezifisch für einen Konzern festgesetzt werden und zwar durch nationale Gesetze, damit sie durch internationales Getrickse nicht ausgehebelt oder verzögert werden.
 
Nehmen wir Google, Facebook oder Ikea als Beispiel. Der Gewinn der Firma für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr ist öffentlich bekannt, er wird auch nicht nach unten frisiert, weil die Shareholder es wissen sollen. Ein bestimmter Anteil vom Firmengewinn entfällt auf Deutschland. Aus diesem Gewinn berechnet man die anteilige Körperschafts- oder Einkommensteuer.

Um an das Geld zu kommen, wird für das laufende Jahr eine Quellensteuer erhoben und von allen Zahlungen deutscher Firmen oder Privatkunden an Google, Facebook oder Ikea einbehalten. Wenn die Firma bereit ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, soll die Quellensteuer verrechnet, aber keinesfalls erstattet werden.
 
Damit wird die Gewinnverlagerung nach Irland, Luxemburg oder in die Niederlande verhindert, ganz ohne internationale Abkommen, die oft versprochen werden, aber nie wasserdicht zustande kommen.

Erst Aufwachen!!
Dann Aufstehen!

Ohne Zweifel müssen die Linken in diesem Land aufstehen! Sie müssen aber zuerst aufwachen und einen klaren Kopf bekommen, um gegen die Feinde der Demokratie und der gerechten Verteilung aggressiv vorzugehen.

In der Schweiz mit ihrer Direkten Demokratie ist das leichter möglich. Dort können die Bürger Sachfragen entscheiden, konkrete Maßnahmen selber vorschlagen und darüber demokratisch abstimmen. Das wollen wir auch. Das ist Demokratie und eine klare Initiative, die nicht von oben und nicht von rechts oder links kommt.
 
Hier muss eins klargestellt werden.
Der Direkten Demokratie in der Schweiz fehlt eine wichtige Voraussetzung: Es fehlt die Möglichkeit zur freien Meinungsbildung der Wahlbürger, also ein Medium oder Forum für gleichberechtigte Kommunikation aller Bürger. Die Medien dort sind nicht anders strukturiert als in Deutschland. Wer Geld hat oder Einfluss auf den staatlichen Rundfunk, kann durch Nachrichten und Werbekampagnen die Abstimmungen beeinflussen. Und das geschieht auch immer wieder. Es fehlt also auch in der Schweiz genau das, was hier mit Demokrit vorgeschlagen wird.
 
In einer Massengesellschaft, wie sie auch in der Schweiz besteht, kann Demokratie nur voll funktionieren, wenn die freie Meinungsbildung von Millionen Menschen gewährleistet ist. Der Kauf der Software Pol.is durch wen auch immer (wahrscheinlich durch Sahra und den Großrentner Oskar) resultiert aus dieser Erkenntnis, es ist aber leider nicht der richtige Weg. Das hängt direkt damit zusammen, dass die kommerzielle Kontaktmaschine Facebook auch nicht die Demokratie gefördert hat, obwohl es eine Zeit lang so scheinen konnte.

Erst aufwachen!! Klar im Kopf werden, dann aufstehen! Den Superreichen und Konzernen direkt in die Kasse greifen, um nicht im Gestrüpp der bürgerlichen Parteien, Fraktionen und Koalitionen stecken zu bleiben.

Sollte die Bewegung Aufstehen! überparteilichen Erfolg haben, könnte man als ersten Schritt in die bereits eingeschlagene Richtung, über Parteigrenzen hinweg, den Fraktionszwang aufheben. Dann sind solche Maßnahmen wie Mindesttransportgebühr und spezifische Quellensteuer schnell beschlossene Sache und werden sofort ihre Wirkung zeigen.

Zum Anfang Erst Aufwachen!! Dann Aufstehen!
                                          Rob Kenius,
                                          19.09.2018
Einen Überblick über verschiedene Essays mit kurzer Inhaltsangabe findet ihr mit einem Klick auf dieses Textfeld.